Für den Aufstieg am Seil gibt es zahlreiche Techniken. Am meisten verbreitet ist noch immer der Geräteaufstieg: zusammen mit Handsteigklemme, Seilumlenkung und Abseilgerät geht es hoch. Für viele Kletterer ist aber das Seilanziehen mühsam. Woran liegt das? Würde es mit einem anderen Gerät fluffiger gehen? Ein Vergleichstest.
Dieser Blogbeitrag wird ständig (mit neuen Geräten) aktualisiert. Stand: Juni 2024
Manche Seilkletterer tun sich beim Geräteaufstieg enorm schwer: sie zerren mit allen Kräften am umgelenkten Seil, trotzdem geht wenig voran. Der Aufstieg wird zur Tortur. Zwar gibt es dafür viele Gründe (siehe weiter unten), viele fragen sich aber: Würde es mit einem anderen Gerät leichter gehen?
Tatsächlich stellen auf unseren Kursen die Teilnehmer immer wieder Unterschiede fest, können sie doch Dutzende Geräte direkt vergleichen. Welche Geräte laufen beim Aufstieg also besonders gut?
Für unseren Test haben wir die beliebtesten Geräte gleich dreifach ausprobiert:
- zunächst wollten wir wissen, welches Gerät den besten Wirkungsgrad hat. Dazu wurden die Geräte ohne Seilumlenkung getestet
- dann testeten wir alle Geräte mit klassischer Umlenkung an der Handsteigklemme per Karabiner
- schließlich testeten wir, was Umlenk-/Seilrollen bringen
- getestet wurde in allen Fällen mit einem Zugkraft-Meßgerät. Jeder Versuch wurde 5 mal durchgeführt und der Mittelwert errechnet
Eine Auswahl der Testkandidaten.
Wie viel Gummi kommt auf die Straße?
Für jedes Gerät wurden mindestens 15 Wirkungsgrad-Werte ermittelt. Der Wirkungsgrad gibt an, wie viel Prozent der aufgewendeten Kraft ich beim Aufstieg tatsächlich nutzen kann, also in “Hub” umgesetzt werden kann. Den Rest schluckt das Gerät. Einen Wirkungsgrad von 100 Prozent hätte ein Gerät ohne jede Reibung – ein rein theoretischer Wert, den selbst superleicht laufende Kugellagerrollen mit ca. 93 Prozent nicht erreichen.
Je höher der Wirkungsgrad, desto leichter läuft das Gerät aufwärts und desto weniger Mühe hat der Kletterer beim Aufstieg. Der Wirkungsgrad ist nicht nur von der Seilreibung im Gerät abhängig. Auch die Seilart, Seilzustand und -durchmesser haben einen hohen Einfluss. Sogar die Seilfeuchte spielt eine Rolle.
Wir haben daher den Test unter gleichen Bedingungen durchgeführt: gleiche Temperatur und Luftfeuchtigkeit, gleiches Seil (10,5 mm Ultimate Pro), gleiches Gewicht, gleiche Zuggeschwindigkeit, Befestigung und Seillänge.
Wirkungsgrad von Geräten beim Seilaufstieg (Stand 2024)
Getestet mit Zugkraft-Meßgerät, geoclimbing Ultimate pro Seil 10,5 mm, 22 °C, 55 % r.F. Mittelwert aus 5 Zugversuchen, 0,3 m/s. Rolle: Petzl Rollclip. Megawatt ohne Testwert für Karabiner-Umlenkung.
Ergebnisse
Die Ergebnisse decken sich mit unseren Praxiserfahrungen:
- Überflieger: das Petzl Neox mit seinem neuartigen Rollen-Bremsnocken schlägt alle anderen Geräte um Längen und liegt mit sagenhaften 78 % Wirkungsgrad mindestens 15 % über dem Restfeld. Beim Aufstieg allerdings “klackert” die Rollen-Rücklaufsperre, woran man sich gewöhnen muss
- Gut drauf: mit 63 % und 62 % sind Edelrid Pinch und Eddy auf den nächsten Plätzen
- von den großen Geräten schneiden vor allem Edelrid Megawatt und ISC A-B gut ab
- am meisten Kraft aufwenden muss man bei Kong Pirata, Petzl Stop und Camp Druid pro. Erstere haben zwei übereinander angeordnete Bremsnocken, das Druid pro hat eine sehr enge Seilführung. Beides führt zu Reibungsverlusten
- Unterschiede spürbar: obwohl die meisten Geräte (außer Petzl Neox) kaum mehr als 10 Prozent auseinander liegen, ist das in der Kletterpraxis deutlich spürbar. Wer sowieso schon kämpft beim Aufstieg, sollte ein Gerät mit hohem Wirkungsgrad wählen
- eine Rolle ist der Turbo: wer schon ein Gerät besitzt und dieses pimpen möchte – die mit Abstand größte Verbesserung bringt der Einsatz einer Rolle an der Handsteigklemme. Mit einem Schlag erreicht man fast 20 Prozent mehr Wirkungsgrad gegenüber einem Umlenkkarabiner! Im Test hatten wir diverse Rollen ausprobiert. Die Tabelle zeigt die Werte mit dem beliebten Rollclip
- Wer das Letzte aus seinem Gerät beim Aufstieg rausholen möchte, sollte Kugellager-Rollen wie die Tethys pro einsetzen: damit konnte der Wirkunsgrad gegenüber dem Rollclip nochmals um bis zu 5 % verbessert werden
- dünnere Seile bringen weniger als gedacht: wir sind probeweise vom 10,5er auf ein 9,5er Testseil umgestiegen. Die Verbesserungen lagen unter 2 %. Wer allerdings gleich um 2 Millimeter dünner wird, etwa mit einem Grigri von 11 auf 9 mm umsteigt, der wird das definitiv merken. Auf Kompatibilität achten – nur wenige Geräte eignen sich für Seile unter 10 mm!
Im Test brachte der Einsatz einer Rolle erhebliche Verbesserngen. Da die Seilführung im Eddy (oben) anders verläuft und der Nocken kleiner ist, ist der Wirkungsgrad gegenüber dem ID mit großem Nocken spürbare 6 Prozent besser
Praxistipps
Dieser Test beleuchtet den Geräteeinfluss beim Aufstieg. In der Praxis gibt es jede Menge weitere Faktoren wie Seilart, Seildurchmesser, Wetter, Aufstiegstechnik, Verschmutzung, Abnutzung und Alter des Seils u.v.m.
- Den besten Aufstieg hast du mit einem neuen Seil mit hohen Gleiteigenschaften wie Ultimate Pro, einem Seildurchmesser nicht über 10,5 mm und trockenem Wetter
- Technik: viele stehen beim Geräteaufstieg zuerst in die Fußschlaufe und ziehen dann das Seil durch die Umlenkung. So bildet sich eine Hohlschlaufe am Seil, das Nachziehen nervt. Besser: früher anziehen, schon beim Belasten der Fußschlinge, sowie die Hüfte mehr nach oben drücken
- Rolle einsetzen: bringt richtig was. Dabei sind größere Rollen leicht im Vorteil
- integrierte Rollen sind praktisch: Kombirollen wie Petzl Rollclip, Edelrid Axiom oder die eingebaute Rolle in der Quick Roll Handsteigklemme sind besser zu bedienen und gehen weniger/gar nicht verloren. Einzelrollen als Seilumlenkung (an separatem Karabiner montiert) fallen gerne runter
- ans Abseilen denken: Geräte mit großen Bremsnocken wie Petzl ID haben zwangsweise mehr Reibung, sind abwärts aber oft gut zu dosieren. Das abwärts am besten dosierbare Abseilgerät ist nach unserer Erfahrung das ISC A-B
- stehen Teile heraus? Bei Geräten wie Petzl ID, Petzl Rig, ISC A-B bewegen sich die Abseilhebel beim Aufstieg. Das ist zwar nicht gefährlich, kann aber stören. Hier sind kompakte Geräte im Vorteil wie die Grigris, Sparrow, Eddy und Megawatt, auch das Druid
- Ordnung bringt viel: Handsteigklemme, Maillons, Fußschlinge und Umlenkung sollten möglichst wenig aneinander reiben. Richtige Sortierung am Boden und schlanke Setups mit wenig Ösen bringen etwas!
Immer schön ordentlich: wer schon am Boden sauber aufbaut, hat weniger Mühe beim Aufstieg
Fazit
Der Vergleichstest Geräteaufstieg hat gezeigt: beim Seilaufstieg schlucken fast alle Geräte mindestens 40 Prozent Reibungsenergie. Mit Seilumlenkung liegt der Verlust bei über 50 %.
Den mit Abstand besten Wirkungsgrad im Test hat das Petzl Neox mit seinem Rollen-Bremsnocken. Bevor sich aber alle drauf stürzen: das Neox hat auch Nachteile, etwa Durchrutschen bei geringer Last, Klackern der Rollen-Rücklaufsperre beim Aufstieg oder fehlende Paniksicherung. Wir empfehlen es eher für erfahrene Anwender.
Gute Wirkungsgrade haben die beiden Edelrid Geräte Eddy (baugleich mit Bornack Lory) und Pinch, gefolgt von Edelrid Megawatt sowie das ISC A-B. Auch die Petzl Grigris sind gut. Wer grundsätzlich große Mühe hat beim Aufstieg, kann mit diesen Geräten auf jeden Fall eine Verbesserung erzielen.
Die beste Erleichterung ohne Geräte-Neukauf bringt der Einsatz einer Umlenkrolle. Hier sind fast 20 Prozent Effizienzsteigerung drin.
Wer trotz allem Probleme hat beim Aufstieg, darf mit anderen Techniken liebäugeln. So ist der Bruststeigklemmen-Aufstieg deutlich effizienter. Diese Technik inklusive Zwischensicherung und Umbau ins Abseilgerät lernst schon du auf dem Grundkurs.
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