Der Vector hip von Edelrid ist der brandneue Gurt für anspruchsvolle Seilkletterer. Mit 180 Euro liegt er im gehobenen Segment, erreicht aber bei weitem nicht den Preis des optisch ähnlichen TreeRex. Ist der Vector hip also ein sexy TreeRex light? Wo liegen die Unterschiede und wie schlägt er sich gegen den Petzl Avao?
Edelrid dreht seit einem Jahr mächtig auf im Professional Bereich: neue Gurtserien, nahezu komplett neue Hardware, das innovative KAA Flaschenzugsystem, Karabiner, Handsteigklemmen, sogar Taschen.
Im Gurtbereich hat der TreeRex Baumpflegegurt mit seinen vielen Detaillösungen das Feld neu aufgerollt und ist auch bei Seilkletterern und Geocachern beliebt. Aber fast 400 Öcken ausgeben? Puh. Um so gespannter waren wir auf den Vector hip – nicht nur auf den ersten Blick sieht er dem TreeRex verdammt ähnlich, und das für vergleichsweise schlappe 180 Euro. Der Hauptunterschied liegt in der fehlenden Seilbrücke und den damit verbundenen Einbinde- und Lastverteilungsmöglichkeiten.
Details
Der Vector hat die sonst üblichen seitlichen Metallösen durch dyneemaverstärkte Schlaufen ersetzt – in unseren Augen überwiegen die Vorteile: leicht, kompakter, genauso gut erreich- und belastbar. Die Dyneema-Verstärkungen gibt es auch an den Textilösen vorne und hinten – so kann man mit einem Blick erkennen, welche der vielen Ösen wirklich voll belastbar ist (12 kN), und die Abriebfestigkeit wird zusätzlich erhöht.
Sehr pfiffig auch die vier kleinen verstärkten Materialösen am unteren Gurtrand. So kann man perfekt Taschen einhängen, Retraktoren befestigen für Schlüssel oder Geocacher-Stempel. Einzigartig sind die beiden zusätzlichen kleinen Ösen direkt unter dem vorderen Metallring – eigentlich gedacht für die Anbringung eines Sitzbretts, dienen diese aber auch als Aufnahme einer Reepschnur und damit extrem weit vorne liegender Selfmade-Aufnahme für Karabiner und Co. So hat man ganz ohne Verrenkungen sein Zeug in Griffweite. Wir haben das ausprobiert, siehe Foto – klappt prima!
Auch neu ist die (beim TreeRex fehlende) rückseitige Metallöse zum Anbringen eines Schultergurts. Die ist so dimensioniert, dass sogar Steckschnallen z.B. des Petzl Torse Gurtes durch passen – zwar ein kleines Detail, finden wir sonst aber nirgendwo.
Der Vector hat auf jeder Seite drei übereinander angeordnete Textilösen zur Aufnahme von Materialkarabinern. Der optionale neue Edelrid SM Clip passt gleich durch alle drei durch, dürfte aber wegen seiner extrem langen Aufnahme der einzige auf dem Markt bleiben. Hält nahezu unverrückbar, ist aber sehr fummelig zu installieren. Mit anderen Materialkarabinern ist die Montage einfacher, da diese kürzer sind und ohnehin nur durch eine oder zwei Ösen gesteckt werden. Dabei lassen sie sich je nach Öse in der Höhe justieren – haben wir so auch noch nicht gesehen. Die Materialösen liegen bei angelegtem Gurt “schräg hinten” auf etwa 5 Uhr – für bessere Erreichbarkeit hätten wir sie uns etwas weiter vorne gewünscht wie beim TreeRex.
Die übrige Ausstattung ist standesgemäß: die Schnellschnallen an den Beinen wurden überarbeitet und laufen jetzt etwas fluffiger. Die vordere zentrale grüne Metallöse fällt etwas kleiner aus, reicht aber locker für drei Karabiner. Dahinter passt sehr gut ein Maillon/Karabiner für die Aufnahme einer Bruststeigklemme. Alle hoch belastbaren Textilschlaufen sind dyneema-verstärkt.
Für die Aufnahme von weiterem Material stellt der Vector vier Materialschlaufen zur Verfügung – zwei flache auf dem Rücken, zwei voluminösere abgewinkelte auf jeder Seite.
Bei allen Details wirkt der Vector trotzdem clean und aufgeräumt – das Gesamtgewicht von 1130 Gramm (Gr. M-L) ist für die Größe sehr gering.
Tragekomfort
Um es kurz zu machen: der Tragekomfort ist richtig gut und deutlich besser als bei preiswerteren Industriegurten. Die üppigen und recht steifen Polsterauflagen tragen ebenso dazu bei wie deren 3D Mesh, das Stauhitze minimiert. Dabei fallen alle Polster eher dünn aus und tragen nicht auf – der Vector fühlt sich schlank an.
Die beiden rückwärtigen längenverstellbaren Gummis sorgen dafür, dass die Beinschlaufen nicht unangenehm in den Schritt gezogen werden – eines der häufigsten Trageprobleme bei Industriegurten. Gut auch, dass die Polster im Schritt weniger dick sind als beim Treerex – was die Bewegungsfreiheit erhöht.
Der Sofa-Modus der TreeRex Seilbrücke fehlt dem Vector konstruktionsbedingt. Dennoch war er zu keinem Zeitpunkt unangenehm und in der Hängelage mit eingelegtem Gerät stützt das Rückenpolster sehr gut. Hängt man in der Bruststeigklemme (mit Hosenträgergurt), lädt der Gurt sogar zum Aussicht genießen ein in der Höhe. Der Schnitt des Rückenpolsters erschien uns recht geschickt – oft haben Frauen bei vergleichbaren Modellen wie Petzl Avao Probleme mit in den Rippenbogen drückenden Polsterkanten – hier blieb diese Kritik aus.
Vergleich Petzl Avao
Der “Petzl Avao sit fast” ist mit ähnlichem Preis und Zielgruppe der direkte Konkurrent. Im Vergleich konnte der Vector etwas mehr punkten. Sitzkomfort und Atmungsaktivität sind sehr ähnlich. Das Rückenpolster ist beim Petzl 4cm breiter und geschwungener, während die Edelrid-Breite weniger variiert. In der Praxis sind diese Unterschiede kaum wahrnehmbar. Das gilt auch für die deutlich steiferen Auflagen des Vector – auf dem Papier müssten sie bei langen Hängepartien mehr Komfort bieten. Auch hier waren die gefühlten Unterschiede marginal. Beide Gurte haben eine exzellente Ventilation.
Der Edelrid punktet vor allem in Details: besser Materialschlaufen-Lösungen, vielseitigere Rückenschnalle und Anbringung von Materialkarabinern, kompaktere seitliche Halteösen. Auch fanden unsere TesterInnen den Vector optisch “sportlicher” im Vergleich zum “industriellen” Petzl.
Fazit
Der Vector hip ist ein gelungener Einstand bei den gehobenen Sitzgurten. Edelrid hat praktisch alles richtig gemacht. Besonders gefallen hat uns die Liebe zu Detaillösungen. Im Vergleich zum Petzl Avao hat er unserer Meinung nach die Nase vorn. Er erreicht zwar nicht die Vielseitigkeit und den Ultra-Komfort der TreeRex aus gleichem Haus, kostet aber auch nur die Hälfte.
Damit ist er perfekt geeignet für anspruchsvolle Geocacher und Seilkletterer – als Upgrade zu einem bestehenden Gurt ebenso wie als engagierte Erstausstattung.
Der Vector hip ist hier erhältlich. Teilnehmer unserer Kurse können ihn ausführlich selbst testen.
Die geoclimbing Test-Ethik:
- alle Test-Produkte kaufen wir selbst
- wird uns ein Test-Produkt zur Verfügung gestellt, geben wir es danach an den Hersteller zurück
- keiner unser TesterInnen darf ein Testprodukt kostenlos behalten
- möchte ein Hersteller das Testprodukt nicht zurück, geben wir es auf einem unserer Kurse an die Teilnehmer weiter
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