Unsere Experten werden oft gefragt, ob UV Strahlung oder Regen einen Einfluss haben auf die Haltbarkeit eines Kletterseils. Schwächt das Wetter mein Seil? Dieser Frage ist der Seilhersteller Teufelberger nachgegangen. In einem aufwändigen Laborversuch wurden verschiedene Seiltypen dauerhaftem Extremwetter ausgesetzt und danach getestet – mit interessanten Ergebnissen.
Ein Statikseil muss einiges aushalten, insbesondere bei T5 Geocachern und Seilkletterern, denn sie hängen die ganze Zeit dran. Steigklemmen, Abseilgeräte und Abrieb sind eine hohe Belastung. Dafür gibt es zahlreiche Tests, und in unserem Wissensbereich findest du in den Kapiteln “Seile” und “Sicherheit” einige Artikel.
Welchen Einfluss aber hat das Wetter? Muss ich mir Gedanken machen über UV Strahlen? Teufelberger hat in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Forschungsinstitut (ÖFI) zu dieser Frage einen Dauer-Labortest gemacht. Mehrere Seiltypen wurden 2.000 Stunden lang Extremwetter ausgesetzt, bestehend aus Regen, Sonne, Trocknungs- sowie Hell/Dunkelphasen. Diese “beschleunigte Bewitterung” ist laut ÖFI etwa so, als ließe man die Seile 2-3 Jahre draußen hängen.
Nach der Tortur wurden die Seile untersucht auf äußere Veränderungen, Mechanik und Haptik. Außerdem wurde die Bruchlast getestet. Bald war klar: unterschiedliche Materialien und Konstruktionen widerstehen der Bewitterung auch unterschiedlich.
Polyester liegt vorn
- In Sachen Reißfestigkeit hatte Polyester (PES) nach der Bewitterung einen Vorteil gegenüber Polyamid (PA): im Test blieb beim PA Seil eine Bruchlast von 83 Prozent, wohingegen die PES Konstruktion bei 91 Prozent lag
- Den Top Wert mit 96 Prozent erzielte eine Spezialkonstruktion mit Vectran Kern und PES/Aramid Mantel. Solche Materialien werden allerdings nur bei (hochwertigen) Baumpflege-Reepschnüren eingesetzt
- Auch die Flechtung spielte eine Rolle: ein PA Seil mit der hauseigenen Platinum-3D-Flechttechnologie schnitt trotz des empfindlicheren Polyamids mit 91 Prozent Restbruchlast so gut ab wie Polyester. Grund ist vermutlich die konstruktionstechnisch bessere Lastverteilung durch das gesamte Seil. Die Platinum Technologie setzen wir in einer verbesserten Variante (bessere Flechtung, Polyester) in unserem Ultimate Pro Seil ein
Da mit wenigen Ausnahmen fast alle Statikseile aus Polyamid sind, müssen Anwender mit einer Reduktionen der Reißfestigkeit um 17 Prozent rechnen. Ein Statikseil mit 22 kN Bruchlast läge dann bei 18 kN – noch immer ein Wert, der in realen Seilklettersituationen nahezu unmöglich vorkommt und sogar noch den Anforderungen der Typ B Norm für Statikseile entspricht.
11 mm Statikseil aus Polyamid neu (oben) und nach 2.000 Stunden Extremwetter (unten): höherer Mantelglanz und Dehnung
Neben den reduzierten Bruchlast-Werten stellten die Forscher weitere Veränderungen fest:
- die Seile wurden härter
- Seile mit PA Kern dehnten sich stärker
- die Fasern wurden spröder und/oder rauer
- manche – aber nicht alle – Seile verblassten bzw. bekamen einen leichten Glanz
Die Ergebnisse decken sich mit unseren Erfahrungen: auf unserer Trainingsanlage haben wir seit 21 Jahren (!) ein Seil dauerhaft draußen. Obwohl nie zum Klettern benutzt, ist es steif, hart und blass geworden. Auch haben wir in der Kletterpraxis bei Statikseilen nach einigen tausend Outdoor-Einsätzen eine höhere Dehnung festgestellt.
Wer lässt allerdings sein Seil so lange draußen hängen, erst recht keine 2-3 Jahre wie in der Studie simuliert? Kann man die Ergebnisse also getrost vergessen, zumal Verhärtung und Versprödung auch im normalen Abseilbetrieb vorkommen?
Alle Fehler addieren sich
Tatsächlich haben nach unserer Erfahrung Einflussfaktoren wie Nutzung, Abrieb, zurückgelegte Seilmeter und Waschen viel früher einen Effekt auf die Seilperformance. Bevor also der Wetter-Einfluss durchschlägt, wirst du dein Seil schon aus anderen Gründen aussortiert haben. Murphy aber sagt: alle Fehler addieren sich. Will heißen, es kommt der – wenn auch schwache – Faktor “Witterung” noch hinzu und sollte zumindest im Hinterkopf behalten werden.
Was tun?
- stellst du starke Verblassung/Vergilbung am Seil oder einer Bandschlinge fest – aussortieren bzw. nicht benutzen. Hier hat die Witterung bereits sichtbare Schäden hinterlassen
- wird dein Seil so hart und steif, dass das Abseilen keinen Spaß mehr macht, wird es Zeit für ein neues
- Seile mit Polyester und/oder 3D Konstruktion halten der Witterung (und den meisten anderen Faktoren) besser stand. Sie haben auch ein spürbar besseres Verhalten bei Nässe
- benutzt du dein Seil als T5 Geocacher nur ab und zu, ist der Einfluss des Wetters auf die Seilperformance eher zweitrangig. Bevor das zum Tragen kommt, wirst du dein Seil wegen anderen Faktoren schon aussortiert haben
- keine gute Idee ist es, dein Seil dauerhaft draußen zu lassen, etwa am Übungskletterbaum im Garten
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