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Konstruktionsunterschiede bei Seilmänteln
Mit dem Seilmantel hat dein Seil Kontakt zur Außenwelt – er dient zum Schutz, während der Kern die tragende Funktion übernimmt. Schmutz im Seilkern ist nicht gut – Dreckpartikel können feine Filamentfasern durch Reibung zerstören. Je dicker ein Seilmantel und je dichter geflochten, desto besser schützt er und desto weniger rutscht er auf dem Seilkern. Leider geht das auf Kosten des Handlings – das Seil fühlt sich weniger weich an und ist schlechter zu knoten. Auch wird es mit der Zeit steif.
Seilmäntel bestehen aus Fäden (und diese aus feinen Filamenten), die auf verschiedenste Art verflochten werden. Manchmal nimmt der Hersteller nur einen Faden und macht daraus das Mantelgeflecht (z.B. Tendon SBS Verfahren). Sehr häufig werden aber zwei Fäden nebeneinander genommen und als Doppelfaden verflochten. 40-50 Stränge braucht man davon für einen Seilmantel – das gängigste Verfahren bei Industriekletterseilen. Manchmal legen Hersteller aber auch drei, vier oder mehr Fäden nebeneinander und verflechten dann erst – das Geflecht wird dadurch grober (Baumkletterseile) mit 32 oder weniger Fadensträngen.
Im Industrie- und Speleobereich werden oft dichte 48er Mantelgeflechte eingesetzt. Durch die hohen Belastungen von Auf- und Abseilgeräten müssen die Mäntel dichter sein, da sie sonst auf dem Kern rutschen würden. Baumpflegeseile haben dagegen oft nur ein 16er Geflecht. Das macht sie unglaublich weich, aber empfindlicher gegen Eindringen von Schmutz (was im Baum nicht so tragisch ist). Seilklemmen müssen vorsichtiger verwendet werden.
Seilhersteller versuchen durch Flechttechnologien, Materialien und Vorbehandlungen das Handling zu verbessern. Trotzdem gibt es Seile für bestimmte Einsatzbereiche, deren Unterschiede fast nur im Mantel liegen:
Industrieseile
Arbeits- und Industrieseile sind ausgelegt auf hohe mechanische Belastungen wie Reibung, Druck, aber auch Schmutz. Oft werden sie recht einfach hergestellt, denn Industriekletterer werfen die Seile zuweilen schon nach dem ersten Einsatz weg. Dennoch sind sie für Geocacher gute Universalseile mit anständiger Preis/Leistung. Sie fühlen sich am Baum genauso zuhause wie im LP Bereich oder sogar einer nicht zu anspruchsvollen Höhle. Es gibt auch Exoten-Industrieseile, die gegen bestimmte Chemikalien beständig sind, für den Offshore-Einsatz gemacht, gegen extreme Hitze oder hohe Schnittbelastungen
Speläoseile
Höhlenseile haben einen geringeren Seildurchmesser (um 10mm) um sie leichter zu machen und damit sie auch bei Nässe/Schmutz gut zu bedienen sind. Der Mantelanteil liegt meist über 40% für einen höheren Schutz gegenüber Dreck. Zuweilen wird der Seilmantel aus Polyester gefertigt, da dieses einen etwa 20 Grad höheren Schmelzpunkt hat und bei häufigem/schnellen Abseilen besser geeignet ist. Auch nimmt Polyester weniger Nässe auf.
Canyoning-/Nass-Seile
Canyoningseile haben ebenfalls einen etwas geringeren Seildurchmesser um 10mm, da sie bei Nässe aufquellen. Oft wird ein anderes, schwimmfähiges und hydrophobes Material eingesetzt – meist im Kern, manchmal auch im Mantel. Dieses Material (z.B. Polypropylen, PP) macht das Seil erheblich leichter
Baumpflegeseile
Haben einen größeren Durchmesser für besseres Handling und das Mantelgeflecht ist erheblich grober. Das macht sie superweich, allerdings auch durchlässiger für Schmutz. Dem Baumpfleger ist das egal, da der Baum-Schmutz ein anderer ist und weit weniger feinkörnig und aggressiv als Boden- oder Höhlen-Dreck. Mit Handsteigklemmen muss man etwas vorsichtiger umgehen, damit deren spitze Zähne sich nicht in Fasern verhaken.
Spezialeinsatz-Seile
für Sondereinheiten und Feuerwehr gibt es Spezialseile. Zum Schnittschutz werden z.B. Edelstahlfäden eingearbeitet. Sehr verbreitet ist auch der Einsatz von Aramid (Kevlar, Technora). Das Seil wird (kurzfristig) hitzebeständig bis 400 Grad, ist im Handling und Dehnung deutlich “härter” und läuft materialbedingt extrem schnell durchs Abseilgerät
Faustregel für Seilmäntel (bei Industrie- und Speläoseilen): je höher der Mantelanteil, desto besser der Schutz, aber auch geringer die Knotbarkeit. Mantelanteil findest du auf jeder Seilpackung, wobei hohe Anteile ab 40% anfangen