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Veränderung von Seilen im Dauergebrauch
Ein Seil verändert sich im Dauergebrauch. Sowohl die Performance, als auch bei den inneren Werten gibt es Verschlechterungen:
Reißfestigkeit nimmt ab
Selbst wenn du dein Seil noch so pfleglich behandelst, kann es altern und an Festigkeit verlieren. Das wird besonders kritisch im Bereich scharfer Kanten. Seilalterung ist vor allem abhängig von der Anzahl der zurückgelegten Seilmeter, also wie viele Meter du an dem Seil auf- und abgestiegen bist.
Seilkletterer und Geocacher belasten dabei das Seil besonders stark, deshalb empfiehlt die Sicherheitsforschung, jeden von dir zurückgelegten Seilmeter mal 1,6 zu multiplizieren. Steigst du also 15m auf und seilst 15m wieder runter, hast du 30 “echte” Meter zurückgelegt, mal 1,6 macht 48 Seilmeter.
Ein Statikseil kommt nach etwa 14.000 Seilmetern in einen sicherheitskritischen Zustand. Es sollten keine Stürze mehr über Faktor 0,3 ins Seil stattfinden (was sowieso zu vermeiden ist) und an einer scharfen Kante dürfte es bei einem Sturz etwa dreimal früher reißen.
Für Geocacher: In T5ern ausgedrückt wären 14.000 Seilmeter etwa 300 T5er (15m Höhe).
Handling verschlechtert sich
Ein Seil wird im Dauergebrauch oft dicker durch Aufrauhen des Seilmantels. Wir haben Labormessungen durchgeführt von einem Seil im Neuzustand sowie nach etwa 10.000 Seilmetern – der Seildurchmesser war um bis zu 10 Prozent gestiegen. Stark gebrauchte Seile sind auch stumpfer und rauer – beides führt zu spürbar mehr Widerstand im Abseilgerät und beim Aufstieg.
Viele Seilmäntel werden nach längerer Nutzung steifer, siehe dazu dieser Wissensartikel. Aufrauhen und größere Steifigkeit führen insgesamt zu mühevolleren Auf- und Abstiegen. Je nach Seilqualität können diese Effekte schon nach 1.000 Seilmetern spürbar werden.
Billigseile: schwammig und platt
Sehr preiswerte Statikseile verschlechtern sich nach unserer Erfahrung im Dauergebrauch erheblich. Neben den schneller eintretenden oben genannten Effekten werden sie vor allem platt. Hier rächt sich die geringere/einfachere Füllung im Seilkern. Anstatt rund ist der Seildurchmesser jetzt oval, was zu unzuverlässigem andling beim Abseilen führen kann.
Da bei Billigseilen der Mantel meist sehr viel mehr auf dem Kern verrutscht, werden diese zunehmend schwammig und Abseilgeräte starten und bremsen schlechter.
Seildehnung wird größer
Im realen Kletterbetrieb haben wir eine höhere Seildehnung festgestellt bei alten Seilen. Das merkt man vor allem beim Umstieg auf das gleiche Seil im Neuzustand. An alten Seilen wippt man mehr beim Aufstieg. Nach unserer Erfahrung tritt dieser Effekt spürbar (je nach Seilqualität) ab etwa 3.000 Seilmetern auf. Die höhere Dehung hat keinen Einfluss auf die Sicherheit.
UV Strahlung weniger wichtig
Die Seilalterung durch UV Strahlen ist nach Ansicht der Hersteller im Vergleich zu den obigen Kriterien eher zweitrangig, solange man die Seile nicht ganzjährig herumhängen lässt. Bevor eine spürbare Alterung durch UV stattfindet, haben die oben genannten Parameter größere Spuren hinterlassen und man hat sein Seil meist sowieso schon aussortiert. Dennoch: nach einigen Jahren und häufigem Einsatz werden Seile auch durch UV geringfügig geschwächt. Nylon/Polyamidseile sind davon mehr betroffen als solche mit Polyesteranteilen wie unser Ultimate Pro.
UV Schädigung kann man am ehesten durch Ausbleichen erkennen. Auch fühlen sich UV geschädigte Seile härter und spröder an. Bei Bandschlingen und Reepschnüre ist das UV Thema wesentlich aktueller, da diese im Alpinbereich oft dauer-installiert in der Wand anzutreffen sind. Dort kann die UV Schädigung zu erheblichem Festigkeitsverlust führen.