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Alles über Seilmaterialien

Hier ein Überblick über die bei Statikseilen verwendeten Materialien und deren Vor-/Nachteile:

Polyamid (PA, Nylon)

Polyamid ist das “Arbeitspferd” unter den Seilmaterialien und ist mit Abstand die am häufigsten verwendete Faser – etwa 90 Prozent aller Statikseile werden aus Nylon gefertigt. PA hat gute Abriebwerte, insbesondere im Trockenzustand. Die Fasern sind (außer gegen Säure, Lösungs- und Bleichmittel) recht resistent, etwa gegen Öle, Benzin, Fette und Alkohol. Sie haben eine Grundelastizität, was sie weniger schnell brechen lässt – PA-Seilmäntel pelzen nicht so schnell auf.

PA nimmt etwa 3 Prozent seines Eigengewichts an Wasser auf, was nasse Seile aufquellen lässt und deren Performance etwas verschlechtert. Abseilen läuft am nassen PA Seil zäher und ruckeliger.

Statikseile aus PA erreichen materialbedingt selten Dehnungwerte unter 5 Prozent. Bessere Werte bleiben Hochleistungsseilen mit anderen Materialien vorbehalten. PA schmilzt bei 220 Grad. Bei Kälte werden PA Seile etwas härter, am weichsten sind sie bei Sommertemperaturen. Polyamid ist recyclingfähig.

 

Polyester (PES)

PES hat gegenüber Polyamid viele Vorteile: es nimmt kein Wasser auf, ist dehnungsärmer, hat bei Nässe bessere Abriebwerte. Der Seildurchlauf in Geräten ist mit PES spürbar besser. Außerdem lassen sich Seile mit geringeren Dehnungswerten herstellen. Auch der Schmelzpunkt liegt mit ca. 260 Grad deutlich höher als bei Polyamid, und PES ist nochmals beständiger gegen Chemikalien.

Polyester ist aber schwerer und teurer, weshalb uns nur ein einziges reines PES Statikseil bekannt ist (für Rettung und Lasten). Als Mantelmaterial findet PES aber bei Kletterseilen Verwendung, besonders für Hochleistungsseile. In Kombination mit einem Polyamid Kern erreicht man durchweg bessere Eigenschaften als bei reinen PA Seilen. Eine solche Materialkombination hat auch unser Ultimate Pro Seil.

Seile mit Polyester Anteil können Dehnungswerte von 2-3 Prozent erreichen, was sie spürbar kletterfreundlicher macht als Polyamid-Seile (5-6 Prozent Dehnung). Durch die geringe Dehnung können feine PES-Fasern schneller reißen, was Seilmäntel “ausfransen” lässt. Durch geschickte Herstellungstechniken lässt sich das zwar reduzieren, aber außer bei unserem eigenen Ultimate Pro II Seil kennen wir niemanden, der einen sochen Aufwand in Kauf nimmt.

Seile mit PES sind durchweg teurer. Für’s Recycling ist Polyester sehr gut geeignet.

 

Polypropylen (PP)

Da Polypropylen einen Schmelzpunkt von ca. 160 Grad hat, erfüllt es nicht die Bedingungen der Statikseil-Norm (die verlangt mindestens 195 Grad). Das hält einige Hersteller aber nicht ab, Polypropylen in Seilen zu verarbeiten. Denn PP kann einiges: es ist sehr leicht, hat geringe Dehnung, nimmt kein Wasser auf und ist auch noch preiswert. Seile mit PP sind schwimmfähig.

Deshalb findet man PP zuweilen als Kernmaterial in Statikseilen zusammen mit einem hitzebeständigen PA Mantel, etwa für den Einsatz im Canyoning. Zwar tragen solche Seile nicht die EN Norm, erfüllen diese aber in allen Punkten außer dem Material. Das wohl bekannteste Seil dieser Machart ist das Tendon Salamander, das für diesen Preis enorm gute Eigenschaften besitzt.

Wir sind viele tausend Meter an Seilen mit PP Kern geklettert und hatten nie Pobleme bezüglich der themischen Belastbarkeit. Solche Seile sind nach wie vor ein Geheimtipp. PP ist gut recyclingfähig, und auch die Herstellung ist vergleichsweise umweltfreundlich.

 

Aramid

Ähnlich dem Polyester wird Aramid bei Spezial-Kletterseilen im Mantel verarbeitet, oft unter den Markenbezeichnungen Kevlar oder Technora. Man erkennt diese Seile sofort am drei- bis vierfach höherem Preis. Aramid hat ein enorme Zähigkeit, sehr geringe Dehnung und vor allem einen Schmelzpunkt bei ca. 380 Grad. Überall dort, wo Seile durch sehr häufiges Abseilen heiß werden oder in heißen Umgebungen (Feuerwehr) spielt Aramid seine Stärken aus. Auch im Bereich scharfer Kanten hat Aramid Vorteile. Einige Hersteller nutzen Aramid bei Reepschnüren als Kernmaterial, speziell für den Einsatz als Prusikschlinge.

Die Nachteile von Aramid liegen neben dem hohen Preis in der geringen UV Stabilität. Dauereinsätze draußen sind nicht ihre Stärke. Auch bei Wasserkontakt nimmt Aramid bis zu 7 Prozent in der Faser auf, Seile werden dicker.

Aramid Seile sind beim Abseilen sehr schnell und verändern ihre Eigenschaften selbst nach sehr vielen Abseilvorgängen kaum, werden also kaum hart. Seile und Reepschnüre mit Aramid sind sehr schwer zu schneiden, da sie materialbedingt sehr schnittfest sind und Aramid beim Heißschneiden verkohlt anstatt elegant zu schmelzen.

 

Vectran

Während Aramid auf Polyamid-Polymeren basiert, verwendet Vectran Polyester als Basis. Die Eigenschaften von Vectran sind in einigen Bereichen dem Aramid nochmals überlegen. So nimmt Vectran kein Wasser auf. Auch ist Vectran die einzige Faser, die bei niedrigen Temperaturen an Bruchkraft gewinnt – bis zu + 20%. Vectran ist bis zu 15 mal widerstandsfähiger als Aramid gegenüber Abrieb. Auch Reißfestigkeit und Schrumpf sowie Schnittfestigkeit sind überragend – eine Superfaser.

Leider setzt auch hier der hohe Preis Grenzen. Die thermische Stabilität ist mit 330 Grad nicht ganz so hoch wie Aramid, aber noch immer 100 Grad höher als bei konventionellen Seilmaterialien. Auch ist Vectran ähnlich dem Aramid nicht UV beständig, und wegen der geringen Dehnung neigen die Fasern zum Fransen.

Vectran findet man in manchen Seilkernen, etwa von Beal. So lassen sich Seile mit sehr geringer Dehnung herstellen mit trotzdem einem gutmütigen Polyamid-Mantel.

 

Dyneema (HMPE)

Dyneema liegt mit einem Schmelzpunkt bei 130 Grad nochmals erheblich niedriger als Polypropylen. In Kletterseilen findet man dieses Material daher nicht, und in Reepschnüren nur als Kernmaterial. Dyneema ist enorm abriebfest, hat praktisch keine Dehnung, nimmt kein Wasser auf und ist sehr leicht. Deshalb findet man es in hochwertigen Wurfleinen wie unserer Supa Line. Auch als Forst- und Lastenseile wird Dynema verwendet, und im Bereich der hochwertigen Schiffstaue hat das Material nahezu alles andere verdrängt.

 

Neben den beschriebenen Materialien gibt es weitere Exoten, mesit als Beimischungen in Kletterseilen. So gibt es z.B. Militär-Seile mit Stahlfasern für besseren Schnittschutz. Andere Seile verwenden Neopren, um schwimmfähig zu werden. Solche Anwendungen sind aber sehr speziell.