Foto: Ur-Petling GC9D9C0
Seit Jahren sammelt geoclimbing Marktdaten. Geocaching steckt in unseren Genen, Mitarbeiter haben zigtausend Founds, hunderte Geocacher besuchen jährlich geoclimbing Kurse und geben Feedback. Wie sehen die Geocaching Trends 2023 aus? Bleibt der Boom der Corona-Jahre? Welchen Herausforderungen das Hobby konfrontiert ist, zeigen aktuelle Zahlen.
Es ist schon ein Kreuz mit dem Geocaching. Seit Anbeginn vor 24 Jahren wird gejammert – zu kommerziell, zu doofe Dosen oder dusselige Reviewer, und überhaupt ist alles nicht mehr so wie früher. Tatsächlich aber ist das Hobby stetig gewachsen auf aktuell 3,3 Millionen Geocaches weltweit – so viel wie noch nie. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr, denn die Dosensuche befriedigt Grundmuster der Persönlichkeit – etwa Neugierde – und archaische Jagdstrukturen.
Ist derzeit also alles eitel Sonnenschein? Mitnichten, denn aktuelle Zahlen zeigen neue Herausforderungen. Mit der Massen-Entwicklung wird Geocaching immer mehr mit Qualitätsthemen und Regularien konfrontiert. Die Speerspitze weltweit bildet Deutschland: in keinem Flächenland gibt es eine derartige Cachedichte (1,2 Geocaches/qkm, USA 0,1 Caches/qkm, weltweit ca. 0,006 Caches/qkm). Nirgendwo sind die Caching-Aktivitäten höher. Daraus verstärken sich Trends, die wir bereits letztes Jahr beobachtet haben:
- Qualität statt Quantität: bei derartigen Cachedichten ist der Wunsch nach hochwertigen Cachingerlebnissen enorm, entsprechende Caches sind stark nachgefragt
- Die Dosendichte in Deutschland und manchen Ländern Europas ist derart hoch, dass dem Hobby “natürliche” Grenzen erwachsen
- langjähriger Geocacher sterben aus: Spezialisten (z.B. LP-/T5-/Earthcacher) werden weniger, und auch Geocacher der ersten Stunde haben dem Hobby den Rücken gekehrt
Verschärfung hält weiter an
Diese Entwicklung hat sich im letzten Jahr nach unserer Erfahrung abermals verstärkt. Am auffälligsten ist der weitere Rückgang aktiver Geocacher*, nicht nur in Deutschland – es sieht so aus, als ob die Pandemie ihre Kinder nicht halten konnte.
Pandemie Boom vorbei: im letzten Jahr sank die Anzahl deutscher Geocacher auf ähnliches Niveau wie 2016
Laut Groundspeak werden nirgendwo mehr Founds verzeichnet als in Deutschland, die deutschen Geocacher sind die aktivsten weltweit. Trotzdem nahm deren Anzahl im letzten Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 8 Prozent ab. Seit dem Höhepunkt der Pandemie in 2021 haben über 90.000 deutsche Geocacher das Hobby verlassen. Das ist ein Minus von 24 Prozent.
Unklar ist, ob der Rückgang auf die Pandemie-Newbies oder auch Altgediente zurückzuführen ist. Wir gehen derzeit von einem Mix aus – das Hobby hat wie jedes Spiel einen Zyklus. Wer zu oft spielt, gewöhnt sich und ist irgendwann gelangweilt. Ohne neue Reize verliert man das Interesse. Deshalb werden einige “Alte” zum Rückgang beigetragen haben, was sich mit unseren subjektiven Feld-Erfahrungen deckt.
Andererseits ist in Deutschland die Anzahl der Geocaching-Dosen auf ein neues Allzeit-Hoch gestiegen auf knapp 430.000 Geocaches. Weniger Geocacher haben also eine größere Auswahl. Die aber ist endlich, weil schlicht kaum noch Platz ist.
Weltweit nimmt die Anzahl der Geocacher seit 2020 ab, die Anzahl der Dosen allerdings weiter zu
Traditionell ist die weltweite Geocaching Entwicklung eng gekoppelt an USA und Deutschland. Diese beiden Länder stellen nahezu die Hälfte aller Geocacher. Auch weltweit nahm im letzten Jahr die Anzahl aktiver Geocacher ab und rutschte sogar unter das Niveau von 2016. Gegenüber dem 2020er Allzeit-Hoch waren im letzten Jahr weltweit 17 Prozent weniger Cacher auf Dosensuche.
Von den knapp 1,8 Millionen weltweiten Geocachern versteckten im letzten Jahr knapp 67.000 mindestens eine Dose, davon 21.000 ihre allererste. Nur 3,7 Prozent aller Geocacher sind also auch aktive Cacheowner. Durchschnittlich findet derzeit jeder Geocacher 47 Dosen pro Jahr.
T5 Geocaches sind seit Jahren beliebt und nehmen mancherorts sogar zu.
T5 Geocaching weiter beliebt – Quantität schlägt Qualität
Die Königsklasse des Geocachings mit der höchsten Terrainwertung ist seit Jahren beliebt. Während in Deutschland die Anzahl der T5 Caches seit Anbeginn unserer Erhebung dauerhaft zwischen 12.000 und 13.000 liegt (letztes Jahr waren knapp 3 Prozent aller deutschen Dosen T5er), entdecken die USA seit Pandemiebeginn den T5 Bereich, und auch weltweit hat die Anzahl der T5 Dosen im letzten Jahr um 4 Prozent zugelegt auf 74.000.
Etwa 10 Prozent aller deutschen Geocacher beschäftigen sich mit dem T5 Bereich, und nach den Zahlen scheint es, als ob diese Community klein aber fein ist, denn in der Flut der 08/15 Dosen ist das Bedürfnis nach hochwertigen Cache-Erlebnissen so stark wie.
Mainstream-geleckte Belanglosigkeit
Da geoclimbing die Szene seit 15 Jahren prägt, verfügen wir über umfangreiches T5 Datenmaterial, das uns ein differenzierteres Bild zeigt: demnach ist T5 Geocaching nicht mehr so hardcore wie früher und die Player weniger freakig. Freundlich ausgedrückt könnte man den derzeitigen T5 Trend “back to the roots” nennen. Echte T5 Cacher der ersten Stunde sind unverblümter und beklagen die “mainstream-geleckte Belanglosigkeit”. T5 Geocaching würde immer softer.
Tatsächlich stellen wir eine schleichende Veränderung der T5 Dosen fest: sie werden seit Jahren leichter erreichbar. Baumklettercaches sind weniger hoch und kompliziert; die Anzahl der neuen durchgeknallten T5 Dosen an exotischen Orten, die nur mit viel Besteck erreicht werden können, nimmt kontinuierlich ab. Das Gesamtniveau der T5 Dosen gleicht sich wieder den Anfängen Ende der 2000er Jahre an: Rauf-Runter bei einem Klettercache ist Abenteuer genug.
Allerdings: T5 Kletter-Newbies sind genauso euphorisiert und leidenschaftlich wie vor 15 Jahren – wir erleben das täglich auf unseren Kursen. Die Leute haben richtig Bock auf mehr Erlebnis. Nur das Hobby, die Gesellschaft und Technik haben sich verändert, und das führt zu neuartigen T5 Trends:
- Vielseitigkeitscacher dominieren: der Zugang zu Geocaching ist so leicht wie nie zuvor. Entsprechend situativ agieren Geocacher und bevorzugen lieber die Caching-Vielfalt anstatt zu extreme (und aufwändige) Erlebnisse
- T5 Cacher sind weniger sportlich: Koordination und Bewegungsintelligenz nehmen ab, auch die Kondition. So benötigen wir für den gleichen Seilkletter-Kurs heute 10 Prozent länger als noch vor 10 Jahren. Den Trend zur geringeren Sportivität stellen auch andere Gesellschaftsbereiche fest
- weniger Selbstvertrauen: Geocacher sind weniger mutig, trauen sich weniger zu und sind insgesamt vorsichtiger
- Mitnahmeeffekte: T5 ist derart beliebt, dass es an den Rändern degeneriert. So gibt es viele Schnelle-Dose-Mitnahmeeffekte, bei denen wir uns manchmal fragen, was das soll. Unsere Mitarbeiter haben schon T5 Kletterevents besucht, bei denen nur einer (nämlich unser Mitarbeiter) kletterte. Bei einem T5 Paddelevent waren wir unter 30 Teilnehmern die einzigen Paddler – der Rest hatte nicht einmal ein Boot dabei. Und bei einem dritten T5 Event wurde die Teleskopleiter zum Logbuch kritisiert (“Da soll ich hoch?”)
- Reviewing Prozess: die Genehmigung neuer T5 Caches ist nach wie vor Haupthindernis und großes Gesprächsthema auf unseren Kursen. Geocacher sind frustriert vom Aufwand und dem Umstand, dass an T5 Caches manchmal besondere Anforderungen gestellt werden. Rechtlich gesehen sind diese Dosen nicht anders, und wir weisen diesbezüglich immer wieder auf die Publikationen der juristischen Fakultät der Uni Braunschweig hin, siehe unser Natur und Recht Bereich
T5 Paddelvent: 30 Teilnehmer und nur ein Boot
Mehr Ausweichbewegung: belanglose Events, Adventure Labs
Der schwierige Reviewing Prozess führt nach unseren Beobachtungen zu immer mehr Ausweichbewegungen: so steigt die Anzahl belangloser, aber einfach zu publizierender Events stetig an. Events haben schon lange nicht mehr den Stellenwert von früher: Themen und Länge sind bedeutungslos, Teilnehmer melden sich immer seltener an.
Adventure Lab Caches erfreuen sich insbesondere im übersättigten Geocaching-Deutschland ebenfalls hoher Beliebtheit. Nirgendwo sonst wurden im letzten Jahr mehr der derzeit weltweiten 67.000 Adventure Labs veröffentlicht.
Da Adventure Lab Geocaches keinen Reviewing Prozess benötigen, keine physische Dose existiert und keine Abstandsregel (mehr in diesem Artikel), passt diese Cacheart perfekt in hochverdichtete, regulierte Gebiete wie Deutschland. Zwar machen diese Dosen derzeit nur 2 Prozent aller weltweiten Geocaches aus, sie sind aber das am stärksten wachsende Segment: In den letzten drei Jahren haben Lab Caches weltweit um 200 Prozent zugenommen.
Verlangen nach Highlights groß
Insgesamt stellen wir in den Geocaching Trends 2023 fest, dass das Verlangen nach Geocaching Highlights nach wie vor enorm hoch ist. Nicht umsonst sind die Wartelisten vieler Top-Favpoint-Caches ellenlang und herausragende T5 Dosen seit Jahren beliebt.
Am anderen Ende steht die schnelle, belanglose Dosensuche, die wegen der hohen Cachedichte und geringer App-Einstiegshürde noch nie so leicht war, und genau in diesem Spagat bewegt sich derzeit das Hobby.
Insgesamt nimmt das individuelle Engagement für Geocaching ab. So gibt es kaum noch die – früher weit verbreiteten – freakigen, mit GC-Devotionalien wie Shirt, Badge, TB und Cap ausgestatteten Dosensucher. Trackables haben stark an Beliebtheit eingebüßt – das geht soweit, dass wir auf Kursen selbst mehrjährige Geocachern TB’s erklären müssen. Ebenso glaubten schon Teilnehmer, Geocaches würden von Groundspeak gelegt – Zeichen einer weniger intensiven Beschäftigung mit dem Thema.
Herausforderung für die Zukunft wird sicher sein, Geocaching auch für etablierte Cacher interessant zu halten, damit diese nicht abwandern. Gerade hier beobachten wir einen Trend zu gelangweilten Frustrations-Bubbles: in kleinem Cacherkreis werden möglichst bequeme Statistikpunkte gesammelt. Die Lösung könnte Groundspek-seitig in höherem Fokus auf qualitativen Angeboten liegen, etwa besseren Filtern und mehr Premium Angeboten.
* ein aktiver Geocacher hat mindestens einen Found pro Jahr. Alle Daten Stand 31.12.2023. Datenquellen: Groundspeak, project-gc und geoclimbing.de.
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