Etwa eine Autostunde vor Stockholm lockt einer der großen internationalen T5 Lostplace Klassiker. GC444FH Brutal Betong Extreme verspricht LP Spaß auf höchstem Niveau: Abseilen in Aufzug- und Förderschächte, tricky Einbauten an Deckenhaken und wackeligen Holzbalken, stockdunkle, wassergefüllte Kellergeschosse sowie ein grandioser Abseiler vom höchsten Förderturm mit zig Kilometern Aussicht. Wir sind hingefahren und waren begeistert.
Als Brutal Betong Extreme 2013 gepublisht wurde, hob er das T5 Niveau in Schweden mit einem Schlag auf ein neues Level. In kürzester Zeit avancierte der Geocache zum internationalen Must-have. Jahrelang führte er die schwedische T5 Favpointliste an, und selbst heute nach knapp 10 Jahren hat er eine Favpoint-Rate von 100 Prozent. Was macht dieses LP Abenteuer so attraktiv?
Es beginnt mit der Location. Ramhälls Gruvor ist eine alte, in den 1970er Jahren aufgegebene Erzmine; ein mehrere Hektar großes Gelände, das offiziell betreten werden darf. Die Gebäude locken Urban Explorer, Graffity Künstler, Drohnenpiloten, Touristengruppen und Geocacher an. Und anstatt eine 08/15 Dose zu verstecken, hatte der Owner Gormare schon früh das ganz große Besteck ausgepackt: ein T5 Multi über 12 Stationen, davon 7 Kletter-Stages, stets nach dem Prinzip “Da runter? Im Ernst??”
Der Cache
Brutal Betong Extreme erstreckt sich über 12 Stages. An jeder Stage findet man einen QR Code in überraschend guter Qualität, der jeweils zu einer Website führt mit nächsten Anweisungen. Außerdem gibt es zusätzliche UV Zahlen für die Finaldose. Alle Anweisungen sind in schwedisch – die Google Translator App hilft enorm, und ohne Smartphone geht sowieso nichts. Kleine Extra-Herausforderung für Mitteleuropäer: einige Caesar Chiffren basieren auf schwedischem Alphabet. Viel Spaß beim Suchen nach der richtigen App 😉
Inhaltlich und dramaturgich sind die Stages klasse durchdacht – das Niveau steigert sich zusehends. Dabei sind die Hinweise stets fair versteckt. Man muss nicht bis in die kleinste Ecke kriechen. Die letzten Stages sind ganz großes Kino, aber auch davor gibt es jede Menge Kletter- und LP-Abenteuer.
El Dorado für Sprayer – auch im schier endlosen Fördergang
Die Gebäude sind ein Paradies für Sprayer. Teilweise gibt es wirklich tolle Kunstwerke wie “Dagobert Duck” oder “Spraycan” – zum Staunen darf man genug Zeit einplanen. A propos – für den gesamten Cache sollte man mindestens 8 Stunden veranschlagen, am besten gleich den ganzen Tag.
Das T5 Abenteuer ist nichts für Kinder – im gesamten Gelände besteht große Absturzgefahr. Teilweise geht es vorbei an teppichgroßen, mehrere Stockwerke tiefen Bodenlöchern, man balanciert über Dielen und alte Holzleitern viele Meter über dem Boden. Selbst Erwachsene müssen aufpassen.
Die T5 Stages sind überwiegend Abseiler. Man muss aber auch präzise werfen können. Eine Station erfordert Abseilen mit Wathose in knietiefes Modderwasser. Und bei mindestens zwei Stationen checkten selbst wir adrenalinbedingt alles dreifach 😉
Der Aufzug fährt seit 1975 nicht mehr. Da muss man selber ran 😉
Verschleißerscheinungen und Engpass Treppenhaus
Dass ein LP Multi nach knapp 10 Jahren überhaupt noch existiert – mit richtig gut erhaltenen Stages – ist verwunderlich genug. Allerdings haben die Gebäude gelitten. Größtes Problem ist der Übergang von Stage 8 zu 9. Der dafür nötige Aufstieg in einem Holztreppenhaus ist auf den ersten vier Stockwerken wegen eines Brandes nicht mehr vorhanden.
Zum Glück haben UE’ler und Sprayer im “Hinterzimmer” provisorische Leiterkonstruktionen montiert, die teilweise mächtig Nerven kosten. Auch fehlt dort der Übergang zu einem Stockwerk, und es geht nur kletternd/seilunterstützt weiter. Der Seileinbau durch ein Deckenloch an einem wackeligen Balken war für uns die größte Herausforderung – wer hier aus Sicherheitsgründen abbricht, ist keine Sissie. Andererseits locken die großartigsten Stages sowie die Vollendung des Abenteuers, was bei uns zu langen Für-Wider-Diskussionen führte.
Das Maschinenhaus ist schwer zugänglich über wacklige Leitern.
Hat man die nervenraubende Engstelle überwunden, folgt T5 Lostplace Cachen der Extraklasse: zwei Stages, über die man noch Wochen später spricht. Bei denen man feuchte Hönde schon beim Seileinbau hat; und wo man hinterher das breiteste Schokoladen-Grinsen ever trägt. Offen gestanden kennen wir keine noch existierenden LP Stages solcher Art in Mitteleuropa. Wir fühlten uns zurück versetzt in die wilden frühen 10er Jahre Dosen wie “Elos Ultra”, “Dark Places – exponierter Domblick” oder “Hui Buh verschwindet”.
Krabbeln hilft: die Bäume im Hintergrund sind 20 m hoch.
Ausrüstung und Kenntnisse nötig
Brutal Betong Extreme ist nichts für Anfänger. Obwohl die Kletter-Stages technisch überschaubar sind, sollte man den Umgang mit Anschlag-Hintersicherungen, Redirects und deren Tragfähigkeits-Beurteilung ebenso drauf haben wie den würgenden Einbau zur Lastenreduzierung. Seilschoner haben wir mehrfach eingesetzt. Manchmal ist der Hinweis nicht an der Abseilposition und man benötigt Kenntnisse in sicheren (!) hängenden Horizontalbewegungen. Als Minimalausrüstung empfehlen wir:
- mindestens 30 m Seil (wer bis zum Boden abseilt: mindestens 50 m, wir benutzten das großartige Reise-/LP-Seil Spelenium Aramid). Wer doppelt einbaut bzw. das Seil an Übergängen hängen lässt, sollte 2 bis 3 Seile einplanen
- komplettes Auf- und Abstiegsgerödel, wir benutzten unser eigenes Reise-Kletterset
- Seilschoner, Supa Sling sowie Extraschlingen und -karabiner
- Wurfzeug
- Wathose
- Helm und Handschuhe
- Stirnlampe und UV-Lampe
- Smartphone
- gute Nerven
Ideale Besuchszeit ist Mai bis September, dann ist es lange hell. Wer das gesamte Gelände erkunden möchte: Mückenschutz nicht vergessen.
Der Cache-Owner ist kaum noch aktiv. Zwar scheint es, als ob sich Locals um den Cache kümmern, man sollte allerdings keine Jahre für seinen Besuch ins Land gehen lassen.
Die Stages im Mittelteil bereiten vor auf das große Finale
Unser Fazit
Brutal Betong Extreme ist ein echter internationaler LP Klassiker und ein unvergessliches Highlight in jeder Hardcore-Cachersammlung. Dafür sollte man das Ding allerdings ernsthaft durchziehen wollen – leider gibt es mittlerweile auch in Schweden Statistik-Bodenlogger, die mit ihrem Verhalten weder dem Owner, noch dem Cache einen Gefallen tun. Sie verpassen das, worauf es wirklich ankommt: ein saugeiles Abenteuer.
Wer die Dose machen möchte – wir helfen gerne bei der Vorbereitung. Kontakt genügt.
0 Kommentare